Solar cell Panel reflection sunlight and sunset

Der Schweizer Solarmarkt im Wandel (Interview mit Franz Baumgartner)

Eine eigene Solaranlage auf dem Dach bringt zwar Unabhängigkeit, kostet aber Geld. Wie viel tatsächlich?

Die Voraussetzungen im Berner Oberland sind für die Erzeugung von Solarstrom eigentlich ideal: kaum Nebel, viel Sonnenschein. Ab einer Höhe von zirka 700 Metern lässt sich zudem rentabler und effizienter Strom erzeugen als im tiefer gelegenen Mittelland, wo oft auch mehr Staubpartikel in der Luft hängen. Die verlockenden Bedingungen allein reichen jedoch nicht aus: Längst nicht jeder Haushalt hat auf seinem Dach eine Photovoltaik-Anlage stehen. Fehlt es am Geld oder an der Akzeptanz? Professor Franz Baumgartner von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften antwortet auf Fragen rund um die Solarenergie.

Herr Baumgartner, wie beurteilen Sie das Interesse der Bevölkerung an Energiefragen?

«Grundsätzlich habe ich den Eindruck, dass nur eine kleine Minderheit unüberlegt in den Tag hineinlebt und sich keine Gedanken über die Zukunft macht. Jeder, der Kinder hat, trägt eine verstärkte Verantwortung – auch bezüglich der Frage, wie die nächste Generation wohl leben wird. Welche Wertschätzung bringt sie uns entgegen, wenn Gletscher und Polareis immer schneller dahinschmelzen und der Meeresspiegel steigt, wir uns aber gleichzeitig das Recht herausnehmen, möglichst billig über die Runden zu kommen? Gleichzeitig verschwenden wir viel Öl, Gas und Kohle. Manch einer würde gerne einen Beitrag zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Energie und Umwelt leisten. Doch womöglich fehlen ihm die erforderlichen Mittel. Am Semesteranfang frage ich jeweils meine Studenten an der Hochschule in Winterthur, wie viel Geld sie im letzten Jahr für ihre Stromrechnung und wie viel für ihr Mobiltelefon ausgegeben haben. Die Antworten in den letzten beiden Jahren waren stets ähnlich: etwa doppelt so viel fürs Telefonieren wie für den Strom in der Wohnung pro Person. Vor 5 Jahren waren die Ausgaben fürs Mobiltelefon noch gar nicht «lebensnotwendig». Zuerst müssen wir uns bewusst werden, wofür wir aktuell das meiste Geld ausgeben und ob Energie dabei überhaupt eine grosse finanzielle Rolle spielt.» 

Was kostet denn eine gängige Solarstromanlage?

«Mit einer Investition von unter CHF 10000.-  kann eine Photovoltaik-Anlage auf dem Hausdach gebaut werden. Diese erzeugt etwa 4500 kWh Strom jährlich, also gleich viel, wie der eigene Haushalt verbraucht. Würde all der Strom direkt im Haus verbraucht, würden Stromkosten in gleicher Höhe entstehen, wie wenn uns ein Elektrizitätsunternehmen den Haushaltsstrom verkaufen würde. Wieso haben denn nicht längst alle eine solche Anlage auf dem Dach? Nur etwa ein Drittel des über den Tag erzeugten Solarstroms kann genau im gleichen Augenblick der Erzeugung verbraucht werden. Abends und in der Nacht funktioniert das nicht. Als Alternative zur «Kostendeckenden Einspeisevergütung» (KEV) hat der Bund das Förderprogramm «Eigenbedarf» gestartet, das etwa ein Drittel der Investitionskosten der Photovoltaik-Anlage bei der Errichtung trägt. Somit ist nur noch ein Drittel der Photovoltaik-Anlage zu finanzieren, da ja das erste Drittel des erzeugten Solarstroms den Zukauf vom Energieversorger ersetzt.»

Und wie wird das verbleibende Drittel finanziert?

«Mit einer Investition in Solarzellen auf dem eigenen Dach kann man Strom für die nächsten 25 Jahre erzeugen – oder vermutlich noch länger. Alle Studien gehen davon aus, dass bis dahin der Strompreis für den Haushalt, den das Elektrizitätsunternehmen verlangt, deutlich gestiegen sein wird. Und genau diese zu erwartende Preissteigerung lässt sich mit Solarstrom vermeiden, was einer zusätzlichen Finanzierung gleichkommt. Weiter gibt das neue Elektrizitätsgesetz vor, dass das Elektrizitätsunternehmen den erzeugten Solarstrom in jedem Fall abnehmen muss. Allerdings zu Vergütungskosten, die den Bezugskosten des Elektrizitätswerks entsprechen, also heute etwa nur zu einem Drittel des Haushaltsstrompreises, weil ein Stromnetz selbst ohne Energielieferung entsprechende Kosten verursacht.»

Wären Energiespeicher eine Möglichkeit?

«Wenn im Durchschnitt nur ein Drittel des auf dem Dach anfallenden Solarstroms unmittelbar im Haus verbraucht wird, ist die Stromspeicherung in einer elektrischen Batterie tatsächlich eine technische Möglichkeit, um diesen Strom am Abend nutzen zu können. So kann der Grad der Selbstständigkeit (Selbstnutzungsgrad) gesteigert oder sogar verdoppelt werden. Einige Zehntausend solcher elektrischer Hausbatteriespeicher sind heute in Europa schon erfolgreich im Einsatz.» 

Sie beschäftigen sich seit über 25 Jahren mit der Solarzelle. Was macht die Solartechnik bis heute interessant?

«Es ist wirklich beeindruckend, wie viele tragfeste technische Lösungen in den letzten Jahrzehnten auf industriellen Standard gebracht werden konnten. Beeindruckend ist vor allem auch, welche Kostenreduktionen sich, dank der Arbeit vieler Ingenieure, im internationalen Wettbewerb erzielen liessen. Dazu kommt die Tatsache, dass sich der Markt hin zum Kunden bewegt – steigende Strompreise, günstigere Produkte und neue Modelle und Rahmenbedingungen in der Vergütung. Das alles begeistert mich.»